Es ist angerichtet

In wenigen Wochen findet die Budgetsitzung im Gemeinderat statt und angesichts des Defizits von 214 Mio. im Voranschlag des Stadtrates ist einiges vorhersehbar. Die Rechten werden die rot-grüne Verschwendung kräftig geisseln und Einschnitte fordern. Wir werden auf die Übung 17/0, also auf das angestrebte ausgeglichene Budget 2017 verweisen.

Das Defizit einfach der rot-grünen Mehrheit anzulasten ist zwar aus Sicht der Ratsrechten naheliegend, aber es erklärt nicht, warum praktisch alle grösseren Städte, viele Gemeinden und Kantone, inklusive der durch und durch bürgerliche Kanton Zürich, rote Zahlen schreiben. In der Stadt Zürich liegt eine erste, wichtige Ursache im steigenden Aufwand. „Sagen wir doch die ganze Zeit“, werden sie rufen. Der Aufwand steigt aus zwei Gründen: Die gestiegene Bevölkerung braucht mehr Schulen, LehrerInnen, Betreuungseinrichtungen. Der zweite Grund: Im Gesundheitswesen gibt es einen Mehrbedarf, der aber auch einen höheren Ertrag generiert, so dass insgesamt für die Stadt eine Verbesserung des Budgets resultiert.

Ich habe einige Zeit dafür aufgewendet, um herauszufinden, warum der Steuerertrag der natürlichen Personen in der Stadt Zürich konstant ist, oder sogar leicht sinkt, während die Bevölkerung wächst. Tatsache ist, das Finanzdepartement weiss es selbst nicht und kann auch nur vermuten. Was man aber weiss ist, dass die Schere der versteuerten Einkommen sich nicht öffnet. Während die Bezüge in den oberen Etagen Zuwachsraten aufweisen, von denen die meisten nicht mal träumen können, findet das bei den Steuern keinen Niederschlag. Avenir Suisse, die Denkfabrik der Economiesuisse hat im Juli eine Studie herausgebracht, die genau das belegte: Die Schere der versteuerten Einkommen öffnet sich nicht. Das gleiche hat das Bundesamt für Statistik kürzlich festgestellt (siehe NZZ-Artikel).

Nach zweimaligem Nachfragen konnte man erfahren: Das BfS hat, wie auch Avenir Suisse, z.B. Kapitalgewinne und Gratisdividenden nach USR II nicht zu den Einkommen gezählt. Die Milliarden, die an unversteuerten Dividenden ausgezahlt werden, gelten als „Vermögenszuwachs“. Etwa 50% der Firmen im SMI zahlen steuerfreie Dividenden aus. Dass beide Quellen oben die Zahlen so interpretieren, dass die Einkommensverteilung sich nicht verändere, ist entweder reichlich blauäugig oder manipulativ. Es ist vielmehr so, dass die Steuergeschenke an die Vermögenden dazu führen, dass immer mehr Einkommensteile unversteuert bleiben. Mit einer Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, eigentlich einer Grundprämisse des Steuerrechts, hat das nichts mehr zu tun.

Eine Anmerkung noch zu den Gratisdividenden: Economiesuisse verteidigt diese Form der Gewinnausschüttung mit dem Argument, das sei nur eine Rückgabe von zuviel einbezahltem Kapital und vergleichbar mit dem Bezug von eigenem Geld am Bankomaten. Dass bürgerliche Gemeinderäte das pflichtschuldigst im Rat wiederholen, gehört wohl zu deren Pflichtenheft, aber wahr wird es dadurch nicht. Wenn man statt einer Dividende eine Kapitalrückzahlung erhält, hat man weniger Geld investiert in eine Firma, bleibt aber im Besitz des gleichen Anteils an der Firma wie vorher. Das soll kein Einkommen sein? Mit meinem Bankkonto geht jedenfalls nichts vergleichbares.

Was ist aus SP-Sicht in dieser Situation zu tun? Das wichtigste ist, zu verhindern, dass noch mehr solche kostspieligen Steuergeschenke an einige Wenige ausgerichtet werden. Die USR III, die neuen Regeln bei der Grundstücksgewinnsteuer, die Abschaffung der Stempelsteuer („um den Finanzplatz zu stärken“) sind nur 3 Beispiele von aktuellen bürgerlichen Projekten mit ähnlich fatalen Folgen, wie die bereits implementierten. Ermutigend ist dabei, dass im Kanton gleich mehrere Vorlagen in der Volksabstimmung gescheitert sind, die eine ähnliche Stossrichtung hatten.

Und dann? Das Projekt 17/0 ist die pragmatische Antwort auf das angerichtete Debakel und im Moment wohl richtig, um den Schaden zu begrenzen. Aber gleichzeitig ist es unbedingt nötig, Verbündete und Mehrheiten zu suchen, um den Staatsabbau, der ein zerstörerisches Ausmass angenommen hat, zu beenden und wo immer möglich rückgängig zu machen.