Teure Schikane

Der Kantonsrat hat es wieder einmal getan. Er tanzt einmal mehr nach der asylpolitischen Pfeife der SVP. Neu sollen alle vorläufig Aufgenommenen im Kanton Zürich nicht mehr den SKOS-Richtlinien unterstellt werden.

Wer ist betroffen?

Bei den vorläufig Aufgenommenen handelt es sich um Asylsuchende, die nicht individuell, persönlich verfolgt wurden, als sie ihr Heimatland verliessen, aber trotzdem nicht dorthin zurückkehren können. Sie erhalten kein Asyl, weil das Asylgesetz nur jenen Menschen Asyl gewährt, die in ihrem Heimatland individuell verfolgt wurden (z.B. aus politischen Gründen). Dennoch dürfen sie in der Schweiz bleiben, weil eine Rückkehr in ihr Heimatland unzumutbar, unzulässig oder unmöglich wäre. In erster Linie handelt es sich dabei also um Kriegsflüchtlinge. Diese Menschen waren nie individuell verfolgt, ihre Rückkehr ist aber aufgrund der Bürgerkriegssituationen z.B. in Syrien oder Afghanistan unzumutbar. Oftmals kriegen gerade auch besonders verletzliche Personen wie Kranke, unbegleitete Minderjährige, alleinerziehende Mütter und Familien eine vorläufige Aufnahme, da diese bei einer Rückkehr besonders gefährdet wären.

 

Entgegen den gebetsmühlenartig wiederholten Behauptungen der SVP und ihren gütigen Helferparteien, handelt es sich bei vorläufig Aufgenommenen also nicht um abgewiesene Asylsuchende, die sich einfach weigern, die Schweiz zu verlassen, sondern um Kriegsflüchtlinge und besonders verletzliche Personen! Die meisten vorläufig Aufgenommenen im Kanton Zürich stammen denn auch aus Syrien (1241 Personen), Afghanistan (988) und Somalia (722). Mit seinem Entscheid schikaniert der Kantonsrat also in erster Linie besonders verletzliche Personen aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten.

Was bedeutet der Entscheid konkret?

Neu sollen vorläufig Aufgenommene nicht mehr Sozialhilfe nach den SKOS-Richtlinien mehr erhalten, sondern der Asylfürsorge unterstellt werden. Das ist eine massive Verschlechterung der finanziellen und beruflichen Situation der Betroffenen. Die Asylfürsorge gewährt den Menschen minimalste finanzielle Unterstützung (z.B. in der Stadt Zürich 16.- pro Tag), von welcher sie Essen, Kleider, ÖV-Tickets und Freizeitaktivitäten bezahlen müssen. Zudem werden Menschen in der Asylfürsorge grundsätzlich keine Integrationsleistungen wie Deutschkurse bezahlt. Sie haben keine freie Wohnsitzwahl und auch der von der Gemeinde bezahlte Mietzins ist wesentlich tiefer als jener nach SKOS-Richtlinien. Konkret: eine syrische Familie, die nach langer Suche eine Wohnung gefunden hat, wird also nicht nur viel weniger Geld zur Verfügung haben, sondern muss damit rechnen, diese Wohnung auch wieder zu verlieren. Dasselbe gilt auch für MitbewohnerInnen einer Wohngemeinschaft.

 

Die Erfahrung zeigt aber: die allermeisten vorläufig Aufgenommenen bleiben lange in der Schweiz. Dies, weil sich die Situation in ihren Heimatstaaten nicht verbessert (der Syrien-Krieg tobt z.B. nun bereits seit 6 Jahren und es ist weiterhin kein Ende in Sicht). Es ist daher wichtig, dass diese Menschen rasch integriert werden. Das sehen auch Bundesrat und Parlament so, weswegen der Integrationsanspruch dieser Menschen im Gesetz verankert wurde. Aus diesem Grund stimmte auch eine Mehrheit des Kantonsrats und des Volks 2011 der Unterstellung von vorläufig Aufgenommenen unter die SKOS-Richtlinien zu.

Unsinnige und teure Schikane

Der jetzt gefällte Entscheid widerspricht also nicht nur dem Volkswillen, sondern ist auch in vielerlei Hinsicht unsinnig: Erstens schikaniert er besonders gefährdete Personen, die langfristig in der Schweiz bleiben werden. Zweitens dürften die meisten Integrationsleistungen des Kantons wegfallen. Das bedeutet, dass sich die Gemeinden in einem Dilemma befinden: bezahlen sie die Integrationsleistungen selber, werden die Budgets der Gemeinden belastet. Bezahlen sie keine Massnahmen, dürfte eine Integration dieser Menschen, vor allem in die Arbeitsweilt, erschwert, wenn nicht gar unmöglich werden. Die Folgen: schikanierte Schutzsuchende, die sich kaum in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Alltag der Schweiz integrieren können, womit sie auch viel länger sozialhilfeabhängig bleiben dürften.

 

Der Entscheid des Kantonsrats ist daher eine Schikane der Schwächsten unserer Gesellschaft, welche die Gemeindefinanzen erst noch massiv belasten.  Die Städte Zürich und Winterthur prognostizieren denn auch Mehrkosten in Millionenhöhe. Es ist daher völlig richtig, dass diese beiden Städte das Gemeindereferendum lancieren! Bleibt zu hoffen, dass sich viele weitere Gemeinden anschliessen und dieser teuren Schikane die rote Karte zeigen. Denn nützen tut dieser Entscheid niemandem was – ausser der SVP, welche für die kommenden Wahlen wieder „ihr wichtigstes Thema“ hat, wie ein SVP-Kantonsrat online schrieb – und damit wohl zum ersten Mal in der ganzen Debatte ehrlich zugab, worum es seiner Partei wirklich geht. Wehren wir uns dagegen!